Vom 6. bis 9. Juni 2024 ist Europawahl – alle wahlberechtigten EU-Bürgerinnen und EU-Bürger sind dazu aufgerufen, ihr Kreuz bei einer Partei oder Wählervereinigung auf dem Stimmzettel für das Europäische Parlament (EP) zu setzen. In Deutschland wird am 9. Juni gewählt. Jörg Bülow, Geschäftsführer des Schleswig-Holsteinischen Gemeindetages, beantwortet kurz und knackig Fragen zur Europawahl. Das Interview ist auch in der Mai-Ausgabe unserer Fachzeitschrift "Die Gemeinde" zu finden.
Herr Bülow, seit 1979 wird das Europäische Parlament alle fünf Jahre per Direktwahl gewählt. Warum ist diese Wahl wichtig?
In Europa spielen zwar die Regierungen der Mitgliedstaaten und die Kommission eine sehr starke Rolle. Das einzig direkt demokratisch legitimierte Element ist aber das Europäische Parlament. Das Parlament hat über die Jahrzehnte immer stärkere Befugnisse erhalten und nutzt diese auch. Die Wahlentscheidung am 9. Juli ist also von großer Bedeutung.
Warum sollten die Bürger ihr Wahlrecht in Anspruch nehmen?
Wer nicht wählt, überlässt die Entscheidung den anderen. In weiten Teilen der Erde gibt es keine freien Wahlen, wir sollten froh darüber sein und unser Wahlrecht nutzen. Bei 35 Parteien, die zur Wahl stehen, sollte auch jeder Wähler etwas Passendes finden.
Was entscheidet das Europäische Parlament?
Alle wichtigen Rechtsakte der EU müssen auch vom Parlament gebilligt werden. In den Verhandlungen zwischen Rat, Kommission und Parlament macht es seinen Einfluss geltend und dieser ist nach meinem Eindruck in den letzten Jahren stetig gewachsen.
Inwieweit wirken sich Entscheidungen des EP auf die Kommunen in Schleswig-Holstein aus?
Nahezu alle Verordnungen und Richtlinien der EU wirken sich auch auf Schleswig-Holstein aus. Sie gelten entweder direkt oder werden durch den Bundestag per Gesetz umgesetzt. Die EU macht inzwischen Vorgaben für unzählige Rechtsbereiche und weitet dabei ihren Einfluss ständig weiter aus.
Was entgegnen Sie Kritikern der EU?
Man kann sich kräftig darüber streiten, ob die EU auf einem richtigen Kurs ist. Auch in der europäischen Politik findet die Debatte ja statt. Genau deswegen bietet die Wahl des Europäischen Parlaments eine Chance, hierzu eine Stimme abzugeben.
Wo sehen Sie weiteres Entwicklungspotenzial der EU?
Ich glaube, dass die EU Gefahr läuft, sich zu verzetteln. Aus meiner Sicht stehen zwei Kernfragen an. Erstens: Soll es eine Erweiterung um weitere Mitgliedstaaten geben? Diejenigen in Südosteuropa, die Richtung EU wollen, geraten nach meinem Eindruck gerade wegen fehlender Fortschritte unter Druck. Sie brauchen also eine glaubhafte Perspektive. Und zweitens: Was kann und muss die EU zur Gewährleistung der äußeren und inneren Sicherheit beitragen? Nur als Einheit können die EU-Staaten unser Gesellschaftsmodell vor Russland und China schützen. Hier sollte die EU noch stärker werden. Die von Jean-Claude Juncker geprägte Zielsetzung für Europa „groß in großen Dingen und klein, bescheiden, zurückhaltend in kleinen Dingen“, fand ich überzeugend. Das würde auch zu weniger bürokratischen Vorgaben für die Kommunen durch die EU führen.
In acht Bundesländern stehen am 9. Juni zusätzlich Kommunalwahlen an, in acht Kommunen in Schleswig-Holstein findet auch eine Bürgermeisterwahl statt. Glauben Sie, dass sich das positiv auf die Wahlbeteiligung auswirken könnte?
Ich hoffe, dass sich das gegenseitig befruchtet. Leider ist ja die Wahlbeteiligung bei Kommunal- und Bürgermeisterwahlen in der Regel nicht so hoch, wie es der Bedeutung angemessen wäre. Der Europawahlkampf schafft hier zusätzliche Aufmerksamkeit.
Was raten Sie Wählern, die noch unschlüssig sind, ob und wo sie ihr Kreuz setzen sollen?
Es wäre schön, wenn der Europawahl in Fernsehen und Radio noch mehr Platz eingeräumt wird. Die Parteien bieten aber zahlreiche Materialien und Veranstaltungen an, die man besuchen kann. Der Wahl-O-Mat der Bundeszentrale für politische Bildung bietet eine nette Möglichkeit, sich grob zu orientieren.
Finden Sie es richtig, dass das Wahlalter auf 16 Jahre abgesenkt worden ist?
Ich persönlich hielte es für überzeugender, das aktive und passive Wahlrecht an die Volljährigkeit zu koppeln. Aber wenn das geringere Wahlalter zu einer früheren Bindung Jugendlicher an die Demokratie führen sollte, wäre das ein Gewinn.