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Positionspapiere

Wichtige Positionspapiere und Forderungskataloge des Schleswig-Holsteinischen Gemeindetages und des Deutschen Städte- und Gemeindebundes stellen wir Ihnen hier zur Verfügung.

Verwaltungsstrukturen der Gemeinden und Ämter in Schleswig-Holstein: 10 Behauptungen und 10 Antworten

Die öffentlichen Darstellungen über die Verwaltungsstruktur der schleswig-holsteinischen Gemeinden und Ämter enthalten stets wiederkehrende Behauptungen, die nicht den Tatsachen entsprechen. Der Schleswig-Holsteinische Gemeindetag als Verband der Gemeinden, Ämter und Zweckverbände in Schleswig-Holstein legt hiermit 10 Antworten auf 10 Behauptungen vor. Mit Fakten statt Vermutungen wollen wir zur Versachlichung einer Diskussion über Verwaltungsstrukturen beitragen, die von den Ehrenamtlern und Hauptamtlern der kommunalen Selbstverwaltung mehr und mehr als Missachtung ihrer Leistung verstanden wird.

Unsere Ämter und Gemeinden sind die Zukunft !

1. Behauptung: Die schleswig-holsteinischen Kommunalverwaltungen sind überdurchschnittlich teuer. Schleswig-Holstein hat die teuersten Kommunalverwaltungen.

Dies ist falsch. Das Gegenteil ist der Fall. Die Personalausgaben der kreisangehörigen Gemeinde-, Stadt- und Amtsverwaltungen in Schleswig-Holstein betragen 293,00 € pro Einwohner und Jahr. Dies ist der drittgünstigste Wert nach Bayern und Mecklenburg-Vorpommern. In allen anderen Bundesländern liegt dieser Wert deutlich höher (z. B. Niedersachsen: 342,00 € / Einwohner, Hessen: 369,00 €, Rheinland-Pfalz 313,00 €). Solche Vergleiche sind allerdings problematisch, denn die Aufgabenverteilung zwischen Land, Kreisen und kreisangehörigen Kommunen ist in allen Ländern unterschiedlich. Aber wenn man solche Vergleiche schon führen will, beweisen die Zahlen: Die kreisangehörigen Verwaltungen in Schleswig-Holstein sind überdurchschnittlich günstig.

Besonders kostengünstig sind die Amtsverwaltungen. Der Landesrechnungshof hat festgestellt, dass die Personalkosten der hauptamtlichen Kernverwaltung der Amtsverwaltungen ab 6.000 Einwohner je nach Größenklasse durchschnittlich zwischen 88,56 € und 113,19 € pro Einwohner liegen. In den amtsfreien kreisangehörigen Kommunen zwischen 6.000 und 18.000 Einwohnern liegt dieser Wert zwischen 150,84 € und 170,93 €, in denjenigen zwischen 18.000 und 50.000 Einwohnern zwischen 157,70 € und 200,12 € pro Einwohner. Das Personal bei den in größeren Orten zahlreicher vorhandenen Einrichtungen ist dabei nicht einmal mitgerechnet. Die Amtsverwaltungen sind also die kostengünstigsten kommunalen Verwaltungseinheiten in Schleswig-Holstein. Die Ämter sind anpassungsfähig, tragen den unterschiedlichen Strukturen im Land Rechnung, haben sich bewährt und sind zukunftsfähig. Gründe für die Sparsamkeit der Amtsverwaltungen: günstige Besoldungsstruktur, flache Hierarchien, starke Rolle des Ehrenamtes, direkte demokratische Kontrolle, Bürgernähe, Pragmatismus, Flexibilität, Kreativität.

2. Behauptung: S.-H. hat zu viele Kommunalverwaltungen, die schleswig-holsteinische Kommunalstruktur ist zu kleinteilig.

Dies ist falsch. Es gibt 1123 kreisangehörige Gemeinden mit 2,2 Mio. Einwohnern, diese werden aber von nur 214 Verwaltungen betreut. Die Selbständigkeit dieser Gemeinden ist unverzichtbar. Denn sie sichert das starke ehrenamtliche Engagement und die demokratische Bestimmung der Bürger über ihre Angelegenheiten sowie den Einsatz der ehrenamtlichen Bürgermeister. Die Identifizierung der Menschen ist hier besonders groß, was die Wahlbeteiligung zeigt (im Schnitt 66% gegenüber 47 % bei den Städten). Bei Wegfall all dessen müßte vieles durch teure hauptamtliche Verwaltungskräfte erledigt werden. Jede Auflösung von Gemeinden bedeutet zwangsläufig Abbau von Demokratie. Diese Gemeinden und das politische Ehrenamt brauchen eine eigene, bürgernahe Verwaltung, die ihrer Personal- und Organisationshoheit unterliegt (Art. 28 Abs. 2 GG). Die kleinräumige Verwaltungsstruktur hat sich als besonders bürgernah, kostengünstig und entwicklungsfähig erwiesen. Niemand hat bisher die Leistungsfähigkeit der Ämter und Gemeindeverwaltungen ernsthaft in Frage gestellt. Die Amts- und Gemeindeverwaltungen haben sich fortwährend modernisiert und sind in allen Bereichen der Verwaltungsmodernisierung führend vertreten.

3. Behauptung: Die Gemeinden arbeiten nicht genügend miteinander zusammen.

Dies ist falsch. Schleswig-Holstein ist das Musterland der interkommunalen Zusammenarbeit. Der Landesrechnungshof hat festgestellt, dass die Stadt-, Gemeinde- und Amtsverwaltungen in rund 1.200 Fällen miteinander kooperieren. Es gibt mehr als 160 Zweckverbände. Ständig bilden sich neue Kooperationen. In zahlreichen Ämtern und Gemeinden gibt es darüber hinaus derzeit Überlegungen oder bereits Beschlüsse zum Zusammenschluss von Verwaltungen. Die kommunalpolitische Praxis beweist, dass die Ämter und Gemeinden die Kraft zur Veränderung von Verwaltungsstrukturen da haben, wo dies als chancenreich erkannt und vom politischen Ehrenamt gestützt wird. Dies macht aber nur bei Feststellung konkreter Vorteile für alle Partner Sinn, nicht aufgrund abstrakter Vorgaben. Die Gemeinden und Ämter arbeiten in allen Teilen des Landes auch eng mit den Städten zusammen. Dies gelingt überall dort besonders gut, wo Stadt und Umland tatsächlich das gemeinsame Interesse verfolgen, sich auf „Augenhöhe“ begegnen und die Rechte und Selbständigkeit des Partners nicht in Frage stellen. Diese Kooperationsbereitschaft der Gemeinden ist durch sachgerechte Hilfestellungen zu unterstützen.

4. Behauptung: In Schleswig-Holstein muss es eine stärkere regionale Zusammenarbeit geben.

Stimmt. Die Selbständigkeit der Gemeinden und die Gemeinde- und Amtsverwaltungen stehen der Zusammenarbeit auf regionaler Ebene aber nicht im Wege, im Gegenteil. Vielmehr sind sie in allen Teilen des Landes starke Partner und Motoren bei der Herausbildung regionaler Verbünde und Identitäten, ob im Lebens- und Wirtschaftsraum Rendsburg, der Eider - Treene - Sorge - Region, im Bereich Unterelbe oder der Metropolregion Hamburg. Zahlreiche weitere Beispiele ließen sich nennen.

5. Behauptung: Die Gemeinden und Ämter können in den bestehenden Strukturen keine neuen Aufgaben übernehmen.

Das ist falsch. Aufgrund überschaubarer, flexibler Strukturen haben die Gemeinden und Ämter im Rahmen der Funktionalreform schon bisher zahlreiche Aufgaben von den Kreisen erfolgreich übernommen (z. B. im Gewerbe- , Gaststätten-, Vereinsrecht). Modellversuche zur weiteren Aufgabenübertragung (z. B. Baurecht, Straßenverkehrsrecht, Wasserrecht) waren auch nach Auffassung des Landesrechungshofes erfolgreich. Die Gemeinden und Ämter sind zur weiteren Übernahme von Aufgaben bereit, Land und Kreise wollen diese aber bisher nicht benennen. Wenn neue Aufgaben definiert werden, sind die Gemeinden und Ämter in der Lage, dafür effiziente Strukturen zu bilden, soweit die bisherigen nicht ausreichen. Der Gemeindetag hat zur Modernisierung der Amtsordnung und zur Schaffung gemeinsamer Verwaltungsstrukturen Vorschläge unterbreitet, die bisher vom Land nicht aufgegriffen wurden.

6. Behauptung: Mit der Bildung größerer Verwaltungseinheiten können die Finanzprobleme der Kommunen gelöst werden.

Das ist falsch. Eine nachhaltige Haushaltskonsolidierung ist so nicht möglich. Denn die Verwaltungsstrukturen sind für die Finanznot nicht verantwortlich. Es sind statt dessen die bürokratischen Hindernisse und Kosten durch das dichte Geflecht gesetzlicher Vorgaben bei gleichzeitigem Rückgang der Steuereinnahmen, insbesondere bei der Einkommensteuer. Daher fordert der SHGT die Aufgabenwende: um den Kommunen wieder mehr Entscheidungsfreiheiten und finanzielle Kraft zur Gestaltung der Lebensqualität vor Ort zu geben, muß die Landesregierung die Intensität von Sozialleistungsansprüchen, Kontrollaufgaben, Planungsverfahren und Ausstattungsstandards vermindern und für eine bessere Finanzausstattung sorgen. Entscheidend ist, ob die Landesregierung dafür die Kraft findet. Sie darf davon nicht mit einem Verweis auf Verwaltungsstrukturen ablenken.

7. Behauptung: Mit der Bildung größerer Verwaltungseinheiten der Gemeinden und Ämter können die Haushaltsprobleme des Landes gelöst werden.

Das ist falsch. Denn von den Ausgaben der Verwaltungshaushalte aller Kommunen in Schleswig-Holstein (ohne Zuschüsse, Sozialleistungen und Finanzausgaben) entstehen lediglich rd. 6,5 % bei den Amtsverwaltungen. Einsparungen für das Land sind nur dann erzielbar, wenn ein Eingriff in den kommunalen Finanzausgleich geplant ist. Der Finanzausgleich bietet den Kommunen aber schon jetzt keine aufgabengerechte Finanzausstattung. Fast alle Parteien haben daher vor der Wahl versprochen, daß ein solcher Eingriff nicht erfolgt. Für Aufgabenverlagerungen im Zuge der Funktionalreform sind keine verordneten Änderungen der Verwaltungsstrukturen nötig (siehe 5.).

8. Behauptung: Die Gemeinde- und Amtsverwaltungen sind nicht „europafähig“.

Das ist falsch. Gemeinden und Ämter nehmen mit großem Erfolg an mit europäischen Mitteln geförderten Programmen teil. Systematische Probleme im Umgang mit europäischem Recht sind nicht bekannt. Bei schwierigen europarechtlichen Vorgängen wie z. B. Fördermittelanträge und Vergabeverfahren werden sie außerdem von zahlreichen Institutionen professionell unterstützt (z. B. Landkreise, Investitionsbank, GMSH, Ämter für die ländlichen Räume). Eine Arbeitsgruppe von Land und Kommunen hat hierzu gerade nicht festgestellt, dass es in den Kommunen an Wissen oder Personal für die Erfüllung europäischer Aufgaben fehlt. Es ist Aufgabe des Landes, im Bereich europäischer Vorgaben für weniger Bürokratie zu sorgen.

9. Behauptung: Der demographische Wandel erfordert größere Verwaltungen.

Das ist falsch. Nach neuesten Erkenntnissen steigt die Bevölkerung in den meisten Kreisen noch bis zu 10 Jahre lang an und wird 2020 auf heutigem Niveau liegen, in einigen Kreisen höher. Danach wird die Bevölkerung gerade in den ländlichen Räumen weniger stark zurückgehen als in anderen Landesteilen. Der Anteil der Landesbevölkerung in den Gemeinden wird relativ also immer bedeutender werden. Damit werden die Gemeinden auch und gerade im ländlichen Raum durch den demographischen Wandel als Lebensraum in Schleswig-Holstein immer wichtiger. Schneller wird sich der Altersaufbau der Bevölkerung ändern. Dies aber hat nichts mit Verwaltungsstrukturen zu tun.

10. Behauptung: Der Landesrechnungshof verlangt eine große Kommunalreform

Das ist falsch. Zu einer Gebietsreform hat sich der LRH nicht geäußert. Auch eine umfassende Verwaltungsstrukturreform hat er nicht gefordert. Der LRH fordert vor allem die Heraufsetzung der Mindestgröße für eine Verwaltung von 5000 auf 6000 Einwohner und hält nach einer schematischen Betrachtung eine Reihe von Verwaltungszusammenschlüssen für „prüfungsbedürftig“ (nicht für zwingend), nach Worten des LRH eine theoretische Maximalbetrachtung. Ob und wann all diese tatsächlich sinnvoll sind und zu Einsparungen oder Verbesserung der Leistungsfähigkeit führen, hat er nicht festgestellt. Vielerorts finden diese Prüfungen derzeit statt, brauchen aber Zeit. Zu unterschiedlich ist die Personal- und Aufgabenstruktur. Eine Prüfung vor Ort kann auch zur Beibehaltung des Status quo führen, es gibt sehr effiziente und leistungsfähige Verwaltungen mit weniger als 6000 Einwohnern. Diese wegen starrer Vorgaben zu zerschlagen wäre unsinnig und gegen die Interessen der Bürger. Im übrigen hat der LRH die Wirtschaftlichkeit der Ämter bestätigt und betont sowohl die Bedeutung der Leistung der ehrenamtlichen Bürgermeister selbständiger Gemeinden als auch die sparsame Politik in kleineren Kommunen. Ebenso hebt er die Bedeutung des Prinzips der Freiwilligkeit hervor (Kommunalbericht 2003, Seiten 42ff, 118, sowie Bericht „Verwaltungsstrukturen und Zusammenarbeit im kreisangehörigen Bereich“ vom November 2003, Seiten 69ff., 144).